IV. Die Zementfabrik

Die Gemeinde Groschowitz hat ihren Aufstieg in erster Linie der Zementfabrik zu verdanken. Die Herstellung künstlichen Zements wurde in technisch zufriedenstellender Weise zuerst in England betrieben, wo im Jahre 1824 der Maurer Aspdin ein Patent auf ein Herstellungsverfahren von Zement aus Kalkstein und Ton nahm. Das neue Produkt erhielt seinen Namen von dem als Baustein sehr geschätzten Portlandstein, dem es an Farbe und Festigkeit gleichkommen sollte.

Portlandzement ist ein hydraulisches Bindemittel, das in mindestens 1,7 Gewichtsteilen Kalk und 1 Gewichtsteil der Summe von löslicher Kieselsäure + Tonerde + Eisenoxyd enthält. Er wird hergestellt durch Zerkleinerung und innige Mischung der Rohstoffe, Brennen bis mindestens zur Sinterung und nachfolgendes Feinmahlen.

Dem Portlandzement dürfen höchstens 3 % anderer Rohstoffe zugesetzt werden. Der Magnesiumgehalt darf höchstens 5 % und der Gehalt an Schwefelsäure-Anhydrit nicht mehr als 2 1/2 % im gebrannten Zement betragen.

Die Herstellung von Zement ist nur dort möglich und lohnend, wo die erforderlichen Rohstoffe in großen Lagern vorkommen. Solche finden sich in Oberschlesien besonders bei Oppeln und Groß-Strehlitz. Dazu kam hier noch der Vorteil, aus dem oberschlesischen Montangebiet verhältnismäßig billige Kohle beziehen und Fertigprodukte dahin liefern zu können.

Der Anfang der Schles. Portland-Zementindustrie geht auf das Jahr 1857 zurück, in welchen Hamburger Kapitalisten 2 Jahre nach Entstehen der ersten deutschen Zementindustrie in Züllchow bei Stettin das erste oberschlesische Zementwerk mit 15 000 Faß (a 170 kg) Jahreserzeugung errichteten und zunächst an F.W. Grundmann aus Kattowitz verpachteten, in dessen alleinigen Besitz es 1862 überging.

Dieses Unternehmen erhielt schon 1866 in dem "Pringsheim'schen Werk" in Kgl. Neudorf eine Konkurrenz. Beide Werke vereinigten sich nach starker Bekämpfung im Jahre 1872 zu dem Aktienunternehmen "Oppelner Portland-Zementfabriken, vorm. F.W. Grundmann". In diesem Jahre entstanden auch die "Groschowitzer Aktiengesellschaft" und die "Schottländer'sche Fabrik" in Oppeln.

Die Gründung der Groschowitzer Fabrik war zunächst die Folge des siegreichen Krieges von 1870/71. Die Bautätigkeit belebte sich, der Zementbedarf wuchs. Die Fabrik entstand aus dem Privatbesitz von H. Wartenberger aus Oppeln, zu den 2 nebeneinanderliegende, in sich geschlossene Fabriken gehörten, die im Jahre 1872 vereinigt und, in eine Aktiengesellschaft verwandelt, dem Betriebe übergeben wurden. Die Firma lautete zunächst "Schlesische Aktiengesellschaft für Portlandzement-Fabrikation zu Oppeln". Die Gesellschaft war mit einem Kapital von 650000 Talern in das Gesellschaftsregister des Kreisgerichtes Oppeln eingetragen.

Die ersten Jahre waren für das junge Unternehmen sehr schwer, da eine hohe Hypothek zu verzinsen war und die auf die Gründerjähre folgende wirtschaftliche Depression auch einen Rückgang der Preise zur Folge hatte. Nur die Qualität des Erzeugnisses und die weise Sparsamkeit vermochten einen Zusammenbruch zu verhüten. Daß dies gelang, ist im wesentlichen dem seit 1874 alleinigen Vorstand Constantin v. Prondzynski und dem ihn ablösenden Bruder Ferdinand v. Prondzynski zu verdanken.

Der Letztgenannte trat 1878 in die Fabrik ein, war von 1892-1925 Vorstand der Groschowitzer Gesellschaft und trat 1926 in den Ruhestand, blieb aber Mitglied des Aufsichtsrates bis zu seinem im Februar 1935 erfolgten Tode. Er starb in Landeck.

Mit diesen Gründungen war die Erzeugungsmöglichkeit dem Bedarf erheblich vorausgeeilt, so daß erst nach 10 Jahren, im Jahre 1884, eine Neugründung durch den damaligen Stadtrat Giesel erfolgte. Sowohl die Schottländer'sche wie die Giesel'sche Gründung waren zunächst Eigenbesitz, wurden aber dann im Jahre 1887 bzw. 1888 in Aktiengesellschaften umgewandelt. Es folgten bis 1908 verschiedene Gründungen, darunter auch 1895 ein Werk in Neukirch a.d. Katzbach in Niederschlesien. Seit 1908 sind Neugründungen nicht erfolgt.

Über die weitere Entwicklung der schlesischen Zementindustrie im allgemeinen und der Groschowitzer Fabrik im besonderen sei folgendes aufgeführt:

Der Krieg und die Nachkriegszeit brachten infolge Kohlen- und Arbeitermangels erhebliche Produktionsschwierigkeiten mit sich.

Wirtschaftliche Überlegungen ließen es ratsam erscheinen, sich zu Interessengemeinschaften zusammenzuschließen. Da die am 1.1.1924 geschlossene Gemeinschaft ihre Zweckmäßigkeit bewiesen hatte, wurde sie am 1.1.1926 unter Zuziehung der Gogolin-Goradzer A.G. zu einer neuen Gesellschaft unter der Firma "Schlesische Portland-Zement-Industrie A.G. Oppeln " verschmolzen. Dazu gehörten folgende Gesellschaften:

1. Oppelner Portland-Zementfabriken vorm. F. W. Grundmann, Oppeln; Gründungsjähr 1857;
2. Schlesische Aktiengesellschaft für Portland-Zement-Fabrikation zu Groschowitz;
3. Oberschlesische Portland-Zementfabrik in Oppeln;
4. Portland-Zementfabrik vorm. A. Giesel, Oppeln;
5. Schimischower Portland-Zement-Kalk- und Ziegelwerke A.G., Schimischow;
6. Niederschlesische Portland-Zementfabrik A.G., Neukirch a.d. Katzbach;
7. Gogolin-Goradzer Kalk- und Zementwerke A.G., Kgl. Neudorf bei Oppeln;
8. Oberschlesische Portland-Zement- und Kalkwerke A.G., Groß-Strelitz;
9. "Silesia" Neue Oppelner Portland-Zementfabrik A.G., Oppeln;
10. Oppeln-Frauendorfer Portland-Zementwerke A.G., Frauendorf.

Die oberschlesische Zementindustrie ist mit den neuesten und besten maschinellen und sanitären Einrichtungen versehen. Besonders ist es die Entstaubungsanlage, die den größtmöglichen Gesundheitsschutz nicht nur der Arbeiter, sondern des ganzen Ortes gewährleistet. Die Qualität der Zementprodukte ist kaum zu übertreffen.

Von geradezu verheerenden Folgen für die Zementindustrie war außer dem Weltkrieg und der Inflation der Friedensschluß von Versailles. Außer dem Verlust von Ost-Oberschlesien und Posen hat auch der Weichselkorridor auf den Versand nach Ost- und Westpreussen lähmend gewirkt. Ferner sind die Lieferungsmöglichkeiten nach den ehemaligen österreichisch-ungarischen Kronländern, besonders Galizien und der Tschechoslowakei, abgeschnitten worden. Dazu kommt noch, daß Polen selbst eine hochentwickelte Zementfabrikation mit 15 Fabriken besitzt und die ehemals österreichischen Gebiete Österreich-Schlesien und Mähren von den gut eingerichteten tschechischen Werken beliefert werden; ja es besteht sogar die Gefahr, daß ausländische Erzeugnisse versuchen werden, in Deutschland Eingang zu finden. Hier ist kluge Abwehr geboten.

Die Zementfabrik Groschowitz war seit ihrer Gründung bemüht, ihre Betriebe zu erweitern und zu verbessern; ja, man kann sagen, daß ungefähr alle 10 Jahre ein umfassender Neubau ausgeführt wurde. Der ersten Fabrik mit 25 to Tagesleistung folgte noch in demselben Jahre eine zweite von gleicher Größe. Die Anlage III wurde 1884 errichtet. Alle drei Fabriken arbeiteten völlig getrennt und wurden nach und nach bis 1900 auf Dietsch-Öfen umgestellt. 1906 kam die vierte Fabrik, bereits mit 6 Drehöfen ausgestattet, in Betrieb, und 1911 wurden die drei älteren Anlagen ersetzt durch die Neuanlage II auf dem Platze der alten II mit einem nach dem Dickschlamm-Maßverfahren arbeitenden Drehofen von 50 m Länge. Dementsprechend war die Tagesleistung von Groschowitz bereits vor dem Kriege auf 500 to gewachsen. Als nach dem Krieg sich die Notwendigkeit von Verbesserungen in den vereinigten Werken ergab, wurde Groschowitz dafür ausersehen, und im Jahre 1927/28 wurde demgemäß die 1911 geschaffene Anlage durchgreifend erweitert.

Mit dem Ausschachten wurde im Herbst 1927 begonnen, und bereits am 1.10.1928 konnte das neue Werk in Betrieb gesetzt werden. Die hervorragendste Rolle spielte bei dessen baulicher Gestaltung der Eisenbetonbau. Die maschinelle Ausrüstung hatte das Krupp-Grusonwerk Magdeburg geliefert.

Die meisten Arbeiten des Betriebes wurden durch elektrisch angetriebene Maschinen geleistet, weshalb die Zahl der Arbeiter verhältnismäßig klein ist.

Die im Steinbruch, der etwa 1 1/2 km entfernt ist, durch Löffelbagger gewonnenen Rohstoffe gelangen in Kippwagen von 6 to Fassungsvermögen zur Zementfabrik. Hier hebt ein Laufkran von 10 000 kg Tragkraft die Kübel von ihren Untergestellen und entleert ihren Inhalt vollkommen selbst¬tätig in die Einwurfstrichter zweier Hammerbrecher, die stündlich 250 to Kalkstein verarbeiten. Den gebrochenen Kalkstein fördert ein zweiter, mit Selbstgreifer arbeitender Laufkran in die Vorratsbehälter über den Dickschlamm-Mühlen.

Diese Mühlen sind mit "Centra-Antrieb" ausgerüstet. Sie haben 2,2 m Durchmesser und sind 13 m lang. Ihr Mahlerzeugnis ist ein Dickschlamm mit 40 % Wassergahalt. Jede Mühle verarbeitet täglich 36 to Rohgut. Den Rohschlamm drückt ein Borsig'scher Mammut-Bagger in die Schlammvorratsbehälter, wo er von Mammut-Pumpen und Preßluft gemischt wird. Zwei weitere Drehöfen, die noch aufgestellt wurden, sind 55 m lang und haben einen Durchmesser von 3,3 m.

An jedem Drehofen ist ein Abhitzkessel. Der in den Kesseln erzeugte Dampf wird in elektrische Energien umgesetzt, durch die das Zementwerk Groschowitz allein betrieben werden kann.

Die Rauchgase gehen durch den Schornstein, der aus Betonsteinen gebaut ist. Machern der gebrannte Klinker die Kühltrommeln verlassen hat, wird er automatisch gewogen und durch einen Laufkran von 30 m Spannweite und 100 m Fahrbahnlänge mit Hilfe eines Greifers von 4 cbm Fassungsvermögen über die Lagerflache ausgebreitet und dann durch denselben Greifer in einen Füllrumpf geschüttet, von wo er in die Zementmühlen gelangt. Jede Mühle vermahlt stündlich 19 000 kg Klinker zu Zement. Hinter den Mühlen wird der Zement gewogen und zu 6 Zementsilos gebracht, die 13,2 m Durchmesser haben und 25 m hoch sind. Durch 4 Sackpackmaschinen, die stündlich bis 3600 Sack zu 50 kg liefern, wird der Zement gepackt und gelangt auf Förderbändern unmittelbar an die Eisenbahnwaggons. Die Säcke sind aus Papier. Diese Art der Verpackung hat die Faßfabrik außer Betrieb gesetzt. Die für die Drehöfen erforderliche Kohle wird per Kran mit Selbstgreifern befördert und durch Dreikammer-Rohrmühlen vermählen.

Fast alle Maschinen haben Einzelantrieb. Die Antriebsmotoren sind für 5000 V Hochspannung gebaut, während die übrigen Motoren mit 500 V Drehstrom betrieben werden.

Die Groschowitzer Zementfabrik stellt 3 Zementqualitäten her. Die erste ist die Marke Grundmann und Zenith I, die aber die Normenanforderungen wesentlich überschreitet. Die zweite ist die Marke Zenith II, ein hochwertiger Portlandzement, der sich gegenüber dem normalen Portlandzement durch eine energische Anfangsverhärtung bei trotzdem langsamem Abbinden auszeichnet. Der höchstwertige Portlandzement heißt Zenith III. Er besitzt die Eigenschaften des Zenith II in noch höherem Maße. Außerdem wird noch ein Spezialfabrikat unter dem Namen "Zeolith-2-Zement" hergestellt. Das ist ein kieselsäurereicher Zement, der durch seine Zusammensetzung in der Lage ist, der zersetzenden und auflösenden Wirkung aggressiver Wässer besonderen Widerstand entgegenzustellen. Die außerordentlich hohen Anforderungen, die an die Straßenbauzemente gestellt werden, hatte zur Folge, daß für die Fahrbahndecken-Zemente der Reichsautobahnen besondere Bedingungen hinsichtlich der Zementqualität aufgestellt wurden.

Sämtliche Zementsorten Deutschlands wurden zunächst auf ihre spezielle Eignung für den Straßenbau in staatlichen Forschungsinstituten untersucht und einqehend geprüft. Zu den für den Bau der Reichsautobahn zugelassenen Zement gehört aufgrund des günstigen Ausfalles der vorgenommenen Untersuchungen auch der Zement des Werkes Groschowitz, so daß ein großer Teil der in Schlesien gebauten Fahrbahndecken der .Reichsautobahnen aus Groschowitzer Zement hergestellt wird, der infolge seiner hervorragenden Qualität seine Eignung für die hier verlangten hohen Beanspruchungen erwiesen hat.

Gegen Anfang des Jahres 1936 hat die Schles. Portland-Zement-Industrie A.G. beschlossen, im Werk Groschowitz anstelle der veralteten Fabrik IV (4 Drehöfen) eine moderne Neuanlage als Ersatz zu errichten. Es ist daher der Bau eines neuzeitlichen Drehofens mit Schlammtrocknungsanlage in Angriff genommen worden. Gleichzeitig wurde im Laufe des Frühjahrs mit der Aufstellung der dazugehörigen Aggregate (Roh- und Zementmülüe, Rohschlamm-Silo) begonnen.

Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß die Zementfabrik Groschowitz ein großes Kraftwerk besitzt. Die Anfänge reichen bis 1911 zurück. Nach dem im Kriege erfolgten Zusammenschluß der Werke Groschowitz und Oppelnhafen lag es nahe, beide Werke miteinander durch eine Fernleitung zu verbinden. Diese Fernleitung für eine Spannung von 20000 Volt wurde 1923 in Betrieb genommen und geht durch das ganze Stadtgebiet Oppeln als Kabel.

Gleichzeitig begann die Strombelieferung der Stadt Oppeln, die im Laufe der Jahre ihre Eigenerzeugung mit Ausnahme von Störfällen vollständig eingestellt hat und ihren gesamten Strombedarf aus dieser Fernleitung bezieht.

Die Erhöhung des Strombedarfs bedingt eine Verstärkung der Stromerzeugeranlagen. Zu diesem Zwecke wird z.Zt. das Kraftwerk Groschowitz an die 100 Volt-Seite Tschechnitz-Deschowitz angeschlossen und entnimmt aus dieser Zusatzstrom vom Kraftwerk Deschowitz der Grafl. Schafgotsch'schen Werke.

An den Erweiterungsbauten der Fabrik sind u.a. folgende Finnen beteiligt: Polysius, Dessau: Eisenkonstruktion, Ofenanlage; Kügler Hermann, Oppeln: Hoch-und Eisenbetonbau; E. Härtel, Breslau I: Feuerungsbau, Schornsteinbau. Die Leistungen des Werkes Groschowitz betrug bisher 7oo to Klinker täglich; nach Fertigstellung des Erweiterungsbaues beträgt sie über 1000 to täglich.